Drei Viertel der Täter sind Männer, die meisten Opfer Frauen. Für die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist klar: Deutschland erlebt eine stille Gewalt-Epidemie – und Politik und Gesellschaft reagieren noch immer zu zögerlich. „Alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch von seinem Partner, Ex-Partner oder Angehörigen misshandelt. Doch obwohl die Zahlen seit Jahren steigen, fehlt vielerorts konsequentes Handeln“, sagt Simone Däuwel, Gewerkschaftssekretärin der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik. „Das ist kein privates Drama, sondern ein strukturelles Problem – ein Angriff auf die Würde von Frauen und Kindern. Es ist nicht hinnehmbar, dass Betroffene noch immer auf Wartelisten stehen, wenn sie Schutz brauchen.“
Däuwel fordert entschlossene Maßnahmen: „Frauenhäuser sind überfüllt, Beratungsstellen überlastet, Schutzräume fehlen. Wir brauchen keine neuen Arbeitskreise, sondern eine echte Schutzoffensive – finanziell abgesichert, flächendeckend und dauerhaft.“
Auch die Arbeitgeber sieht die Gewerkschafterin in der Pflicht: „Der Arbeitsplatz kann ein sicherer Zufluchtsort sein – aber nur, wenn dort das Bewusstsein für das Thema vorhanden ist. Wir fordern betriebliche Schutzkonzepte, Schulungen für Führungskräfte und konkrete Unterstützung für Betroffene“, betont Däuwel.
Zudem müsse Gewalt umfassender verstanden werden: „Sie beginnt nicht erst mit furchtbaren Schlägen, sondern mit Kontrolle, Einschüchterung und ökonomischer Abhängigkeit. Sie entsteht überall dort, wo Ungleichheit und Abwertung Alltag sind.“
Für die IG Metall ist der Anstieg der Fälle Ausdruck einer gesellschaftlichen Schieflage: „Wir leben in einem Land, das Gleichstellung im Grundgesetz verankert hat, aber im Alltag oft versagt“, so die Metallerin. „Wenn Frauen, die Gewalt erleben, keinen Platz im Frauenhaus oder andere Schutzangebote finden, ist das kein Verwaltungsproblem – es ist ein politisches Versagen.“
Die IG Metall wird das Thema stärker in Betrieben und in der Gesellschaft verankern – mit Aufklärung, klaren Ansprechpartner*innen und gewerkschaftlicher Solidarität: „Häusliche Gewalt ist kein Randthema. Sie ist ein Prüfstein für unsere Gesellschaft. Und im Moment bestehen wir diesen Test nicht. Deshalb werden wir laut bleiben – für alle, die es selbst nicht mehr können.“