Niedersachsen braucht Industrie Kampagnenstart „Advent, Advent – unsere Zukunft brennt“ in Seesen

Kein festlicher Lichterglanz, sondern ein grelles Warnsignal auf der Fabrikfassade: Unter dem Titel „Advent, Advent – unsere Zukunft brennt“ hat die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in Seesen ein sichtbares Zeichen gesetzt.

Kampagnenstart „Advent, Advent – unsere Zukunft brennt“ in Seesen

8. Dezember 2025 8. Dezember 2025


Auf die Fassade der Sonoco Metal Packaging Germany GmbH projizierten die Metallerinnen und Metaller eindringliche Worte: „Dose ist Arbeit. Dose ist Identität. Dose braucht Zukunft.“ Drei Sätze, die weit über die Mauern des Werks hinaus hallten – als Appell an Politik, Unternehmen und Gesellschaft, die industrielle Basis dieses Landes nicht weiter zu vernachlässigen. Das Sonoco-Werk steht dabei nur symbolisch für die Region und ländliche Räume. Begleitet wurde die Lichtprojektion von den Beschäftigten der Frühschicht, die mit Transparenten und Sprechchören ein starkes Zeichen der Entschlossenheit setzten. 

Die IG Metall kritisiert scharf, dass politische Entscheidungen zwar ins Schaufenster gestellt, aber nicht in Umsetzung kommen, während Betriebe und Beschäftigte unter steigenden Energiepreisen und fehlender Planungssicherheit leiden. „Seit Jahren hören wir Ankündigungen, Prüfaufträge und Versprechungen“, so Mirko Richter, Verhandlungsführer der IG Metall in der Feinstblechpackungsindustrie (FPI). „Aber Versprechen bezahlen keine Stromrechnungen. Wer Industrie will, muss liefern – und zwar jetzt. Wir brauchen endlich bezahlbare Energie, verlässliche Rahmenbedingungen und eine Strategie, die Investitionen nachhaltig ermöglicht.“

Ein auf höchstens fünf Cent pro Kilowattstunde begrenzter Industriestrompreis (inklusive Abgaben und Netzentgelte), verknüpft mit verbindlichen Standort- und Beschäftigungsgarantien, bleibt für die IG Metall ein zentrales Anliegen. Nach drei Jahren intensiven Drucks vieler Belegschaften energieintensiver Branchen – darunter Unternehmen der FPI ebenso wie zahlreiche Stahlwerke – und der IG Metall hat die Politik nun einen Industriestrompreis in Aussicht gestellt, der die Wettbewerbsfähigkeit dieser Schlüsselindustrien sichern soll. Doch der bislang skizzierte Rahmen überzeugt nur eingeschränkt: Zahlreiche Betriebe würden von der Regelung kaum oder gar nicht profitieren, andere lediglich in unzureichendem Ausmaß. Hinzu kommt die vorgesehene Befristung auf drei Jahre, die sich als gravierendes Defizit erweist – gerade im Hinblick auf verlässliche, langfristige Investitionsentscheidungen.


Kampagnenstart „Advent, Advent – unsere Zukunft brennt“ in Seesen

Besonders eindringlich mahnt die IG Metall, die wirtschaftliche Substanz jenseits der großen Ballungsräume nicht weiter erodieren zu lassen. „Industriepolitik ist immer auch Regionalpolitik“, unterstreicht Marcus Golis, Betriebsratsvorsitzender der Sonoco Metal Packaging Germany GmbH im südlichen Niedersachsen. „Bei Sonoco stehen wir solide da. Doch der Blick in die ländlichen Regionen zeigt: Schließt ein Werkstor, schließen sich zugleich Perspektiven. Wo Arbeit verschwindet, ziehen junge Menschen fort – und mit ihnen Aufbruch, Vielfalt und Vertrauen. Geht die Arbeit, geht das Leben.“

Der Verlust industrieller Strukturen setzt unweigerlich eine Kettenreaktion in Gang: Die Bäckerei verkauft weniger Brötchen, die Autowerkstatt verliert Kundschaft, der Kommune brechen Steuereinnahmen weg – und damit die finanziellen Spielräume für Kitas, Schulen, Kultur und Vereine. „Und wo das Leben dünner wird, wächst das Gefühl, zurückgelassen zu sein. Diese Entfremdung ist der Nährboden für Demokratieverdrossenheit. Wer die ländlichen Räume wirtschaftlich preisgibt, setzt sie letztlich auch politisch aufs Spiel.“

Die Feinstblechpackungsindustrie, zu der auch der Standort Seesen zählt, gehört nicht zu den Branchen, die täglich im Rampenlicht stehen – doch sie bildet einen wesentlichen Teil der stillen Infrastruktur unseres Alltags. Sie stellt Verpackungen für Lebensmittel, Getränke, Arzneimittel und technische Produkte her und sorgt damit für Versorgungssicherheit, stabile Lieferketten und nachhaltige Materialkreisläufe. „Die Dose ist letztlich ein Sinnbild funktionierender Kreislaufwirtschaft: robust, wiederverwertbar und effizient konstruiert. So vorausschauend sollte auch unsere Industriepolitik arbeiten“, betont Richter. „Wir dürfen industrielle Substanz nicht weiter aufzehren, sondern müssen sie erneuern. Und wir sollten Wertschöpfung nicht zunehmend importieren, sondern wieder stärker im eigenen Land ermöglichen – mit guter Energiepolitik, qualifizierten Beschäftigten und verantwortlichem wirtschaftlichem Handeln.“

Die Gewerkschaft richtet deshalb einen unmissverständlichen Appell an die Politik: Wirtschaftspolitik darf sich nicht auf Schadensbegrenzung beschränken, sie muss Richtung geben und aktiv gestalten. Der ländliche Raum braucht langfristige Perspektiven, Investitionen, belastbare Infrastruktur und bezahlbare Energie. Denn dort, wo Arbeit Zukunft bietet, bleiben Menschen – und wo Menschen bleiben, hat Demokratie Bestand.