Mitbestimmen, wenn es darauf ankommt 2026 ist großes Jahr der Betriebsratswahlen

Inmitten tiefgreifender Umbrüche auf den Arbeitsmärkten, sich zuspitzender geopolitischer Spannungen und einer rasant fortschreitenden technologischen Transformation rückt ein demokratisches Ereignis in den Fokus, das allzu oft unterschätzt wird: die Betriebsratswahlen.

Foto Bezirk Nds-LSA

14. September 2025 14. September 2025


Inmitten tiefgreifender Umbrüche auf den Arbeitsmärkten, sich zuspitzender geopolitischer Spannungen und einer rasant fortschreitenden technologischen Transformation rückt ein demokratisches Ereignis in den Fokus, das allzu oft unterschätzt wird: die Betriebsratswahlen. Zwischen dem 1. März und dem 31. Mai 2026 sind bundesweit mehrere Millionen Beschäftigte dazu aufgerufen, ihre Interessenvertretungen im Betrieb neu zu wählen.

Die IG Metall sieht in dieser Wahl nicht nur eine formale Pflicht, sondern einen politischen Auftrag: Mitbestimmung zu stärken – gerade in einer Zeit, in der sich viele Strukturen neu sortieren und Unsicherheit zur neuen Konstante wird. „Es geht um weit mehr als Pausenregelungen oder Dienstpläne. Es geht um die Frage, wer in Zeiten von Veränderung das Wort ergreift – und wer schweigt“, sagt IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. „Wer seinen Betriebsrat wählt, entscheidet mit darüber, wie Transformation in den Unternehmen gestaltet wird – mit den Beschäftigten oder über ihre Köpfe hinweg.“

Kaum eine Legislatur der Betriebsräte war in den vergangenen Jahrzehnten mit vergleichbaren Herausforderungen konfrontiert wie die aktuelle. Die Dekarbonisierung der Industrie, der Umstieg auf neue Mobilitätskonzepte, die Digitalisierung von Produktionsprozessen, aber auch demografischer Wandel, Fachkräftemangel und krisenhafte Lieferketten prägen den Alltag in vielen Betrieben – von der Automobilproduktion bis zur Windkraftmontage, vom Maschinenbau bis zum Kfz-Handwerk.

Inmitten dieser Vielschichtigkeit werden Betriebsräte zunehmend zu Transformationsgestaltern: Sie begleiten Investitionsentscheidungen, sichern Weiterbildungsinitiativen ab, handeln Sozialpläne bei Werksschließungen aus oder entwickeln neue Modelle der Arbeitszeitflexibilität. „Mitbestimmung ist heute viel mehr als ein korrektiver Mechanismus. Sie ist strategisches Frühwarnsystem und soziale Innovationskraft zugleich“, so der Metaller weiter. „Wenn Unternehmen zukunftsfähig sein wollen, brauchen sie Beschäftigte, die mitgenommen werden – und Betriebsräte, die dafür Sorge tragen.“

Rund 28.000 Betriebe in Deutschland verfügen über einen Betriebsrat. Doch in weiten Teilen der Wirtschaft – insbesondere im Dienstleistungssektor, in kleineren Industriebetrieben oder in Unternehmen mit prekären Arbeitsverhältnissen – fehlt eine organisierte Interessenvertretung bis heute. Dabei ist die rechtliche Lage klar: Bereits ab fünf wahlberechtigten Beschäftigten kann ein Betriebsrat gewählt werden. Die IG Metall ruft daher nicht nur zur Stimmabgabe auf, sondern ermutigt auch Beschäftigte in bisher unorganisierten Betrieben, den Schritt zur erstmaligen Wahl zu wagen. Die Gewerkschaft bietet rechtliche Beratung, Schulungen und praktische Unterstützung – und verweist auf die historische Erfahrung: Betriebliche Demokratie stärkt Resilienz, verhindert Willkür und schützt Würde. „Es gibt keine starke Demokratie im Land ohne gelebte Demokratie im Betrieb. Wer sich aus der Mitbestimmung zurückzieht, überlässt die Regeln des Alltags anderen“, warnt Gröger.

2026 will die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ein Signal setzen: Vielfalt stärken, Repräsentanz ausweiten, neue Perspektiven ermöglichen. Die Gewerkschaft ruft gezielt junge Beschäftigte, Frauen, migrantische Kolleg*innen und bisher unterrepräsentierte Gruppen auf, sich in die Betriebsratsarbeit einzubringen. Denn viele Fragen, die heute im Betrieb verhandelt werden, sind Fragen der Zukunft: Wie gelingt Teilhabe in digitalisierten Strukturen? Wie sieht eine familiengerechte Schichtplanung aus? Wie schützen wir Beschäftigte in KI-gestützten Arbeitsprozessen vor Entgrenzung und Überwachung? Wie lassen sich Verlagerungen in Zeiten des Turbokapitalismus verhindern?

Zahlreiche Studien (u.a. IWH 2021) belegen: Betriebe mit aktiver Mitbestimmung sind erfolgreicher. Sie investieren häufiger in Weiterbildung, sind innovationsfreundlicher, haben stabilere Beschäftigungsverhältnisse – und kommen krisenfester durch Konjunkturschwankungen. Betriebsräte verbessern nicht nur das Betriebsklima – sie tragen zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit bei. Gerade vor dem Hintergrund wachsender Spannungen auf dem Weltmarkt und unsicherer Lieferketten sieht die IG Metall deshalb Mitbestimmung auch als wirtschaftliche Notwendigkeit. „Gute Arbeit ist kein Kostenfaktor, sondern ein Zukunftsinvestment“, sagt der Bezirksleiter der IG Metall. „Wer klug wirtschaftet, setzt auf Beschäftigte, die mitdenken und mitgestalten – und nicht auf Einsparungen um jeden Preis.“

In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und wachsender Unsicherheit stellt die IG Metall unmissverständlich klar: Die betriebliche Mitbestimmung ist kein Ort für Ideologie, Vereinfachung oder politische Instrumentalisierung. Immer wieder und 2026 mit erhöhter Wahrscheinlichkeit versuchen extremistische oder populistische Kräfte, die Betriebsratswahlen für ihre Agenda zu nutzen – etwa durch Tarnlisten oder populistische Programme ohne Substanz. Die IG Metall warnt vor extremistischen und populistischen Kräften, die versuchen, Betriebsratswahlen für ihre politischen Spielchen zu missbrauchen. „Betriebsräte sind kein Sprachrohr für Parolen, sondern Motoren für Lösungen. Wer einfache Antworten verspricht, will oft komplexe Probleme verschleiern – und das hat im Betrieb nichts verloren“, heißt es von der IG Metall. Populismus im Betrieb sei brandgefährlich: Er bremst Veränderungen, vergiftet das Klima und lenkt vom Wesentlichen ab – der Sicherung von Arbeitsplätzen, fairen Bedingungen und echter Mitbestimmung. „Mitbestimmung ist kein Spielplatz für Vereinfacher, sondern ein Bollwerk für Demokratie und Solidarität. Sie schützt vor Willkür und sichert den Beschäftigten eine starke Stimme – gerade in Zeiten des Wandels!“, schildert Gröger.

Mitbestimmung bedeutet Verantwortung – nicht Lautstärke. Haltung – nicht Hetze. Lösungen – keine Floskeln. Die IG Metall wird jedem Versuch, das Betriebsklima zu vergiften, entschlossen entgegentreten. „Demokratie muss sich gerade dort behaupten, wo sie am konkretesten ist: am Arbeitsplatz. Wer hier Verantwortung übernimmt, stärkt nicht nur das Unternehmen – sondern auch die Gesellschaft“, so der Metaller abschließend.