Wohnungsnot bremst Berufseinstieg Auszubildende und Studierende in Ballungsgebieten massiv unter Druck

Zum Start des neuen Ausbildungsjahres und vor Beginn des Wintersemesters warnt die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: Die Wohnungsnot für junge Menschen hat ein Ausmaß erreicht, das Berufseinstieg und Ausbildungschancen akut gefährdet.

Miete Haus Balkon

5. August 2025 5. August 2025


In vielen Städten ist bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende und Studierende schlicht nicht mehr zu finden. Der Fachkräftenachwuchs von morgen steht häufig schon vor dem ersten Arbeitstag vor existenziellen Hürden. Was früher der Aufbruch in ein neues Lebenskapitel war, wird heute für viele zum sozialen Stresstest.

Lukas (19) pendelt täglich zwei Stunden pro Strecke zu seinem Ausbildungsplatz – ein Zimmer vor Ort kann er sich nicht leisten.

Sinem (21) absolviert eine duale Ausbildung im IT-Bereich und arbeitet zusätzlich jedes Wochenende in der Gastronomie. Nur so kann sie die monatliche Miete für ihr WG-Zimmer in der Landeshauptstadt aufbringen, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens verschlingt. Die Doppelbelastung aus Ausbildung und Nebenjob lässt kaum Raum für Erholung oder konzentriertes Lernen.

Tobias (18) hat eine Ausbildung im Handwerk begonnen, konnte aber keine bezahlbare Unterkunft finden. Er hat wöchentlich zahlreiche Wohnungsbesichtigung, aktuell schläft er bei einem Arbeitskollegen auf der Couch. Eine stabile Lebenssituation ist so kaum möglich – und der erfolgreiche Einstieg ins Berufsleben wird erheblich erschwert.

Diese Fälle sind als Anschauungsbeispiel konstruiert, aber entsprechen der Realität einiger junger Menschen - auch in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende und Studierende wird zunehmend zur Mangelware - nicht nur in Metropolen, sondern auch in Mittelstädten und an anderen Hochschulstandorten. Die Folge: Fachkräfte von morgen stehen bereits zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn vor kaum lösbaren Existenzfragen.

„Wer heute eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, braucht nicht nur Motivation und einen klugen Kopf, sondern auch eine bezahlbare Bleibe. Genau daran scheitert es immer öfter. Der Eintritt in dieses neue Lebenskapitel wird zur Belastungsprobe, die allzu häufig vom finanziellen Hintergrund der Eltern abhängt. Das ist keine neue Entwicklung, aber sie spitzt sich mehr und mehr zu!“, erklärt IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger.

Es ist erlebbar, wie junge Menschen in Wohngemeinschaften drängen, Pendelzeiten von über zwei Stunden täglich in Kauf nehmen oder sich überteuerte Zimmer in prekärem Zustand mieten müssen. In Göttingen kostete 2024 ein WG-Zimmer im Durchschnitt rund 400 Euro - Ausschläge im beliebten Studentenviertel nach oben möglich. In Hannover steigen die Preise in beliebten Stadtteilen auf 500 Euro und mehr. In Braunschweig, Osnabrück und Magdeburg, wo Wohnraum lange vergleichsweise bezahlbar war, ziehen die Mieten ebenso an– oft schneller als die Ausbildungsvergütungen, insbesondere dort, wo es keine Tarifverträge gibt.

Die IG Metall sieht in dieser Entwicklung ein massives wirtschaftliches Risiko: „In den Metall- und Elektrobranchen oder aber im Handwerk werden jedes Jahr tausende Auszubildende gesucht – doch viele schrecken vor dem Wechsel in eine andere Stadt zurück, weil sie sich die Miete nicht leisten können. Das trifft auch die Ausbildungsbetriebe in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hart“, erklärt Gröger. Weiter sagt er: „Wir reden über Fachkräftemangel – und übersehen, dass viele junge Menschen schon mit gigantischen Herausforderungen konfrontiert sind, bevor sie richtig angefangen haben. Nicht der Lernstoff ist das Problem, sondern die Miete.“

Die durchschnittliche tarifliche Ausbildungsvergütung lag 2024 bei 1.133 Euro brutto – das entspricht oft unter 900 Euro netto. Für viele junge Menschen bleibt nach Miete und Lebensmitteln kaum noch Spielraum für Mobilität oder Teilhabe, geschweige denn Rücklagen. Ausbildung unter solchen Bedingungen wird zur Belastungsprobe – und zur sozialen Frage.

Die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ruft Landes- und Kommunalpolitik dazu auf, Wohnungs- und Ausbildungspolitik stärker zusammenzudenken. Dazu gehören verbindliche Mietobergrenzen bei öffentlich gefördertem Wohnraum, eine gezielte Investitionsoffensive in Wohnheime sowie eine verlässliche, einkommensabhängige Unterstützung für junge Menschen mit geringem Einkommen. Fördermittel von Ländern und Kommunen müssen dabei konsequent an soziale Kriterien gebunden werden – mit klarer Priorität für den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau. „Nur wenn Wohnen bezahlbar bleibt, bleibt Ausbildung für alle zugänglich!“, so die IG Metall.

Was auf den ersten Blick wie ein reines Problem der jungen Generation wirkt, betrifft längst die gesamte Gesellschaft: Wenn sich junge Menschen Ausbildung oder Studium in ihrer Wunschstadt nicht mehr leisten können, leidet die regionale Entwicklung ebenso wie die Innovationskraft der Wirtschaft. Gleichermaßen betrifft die Wohnungsnot beziehungsweise der Mangel an bezahlbaren Wohnraum auch Beschäftigte kritischer Infrastruktur und systemrelevanter Berufsgruppen. „Wer Arbeitskräfte will, muss ihnen auch Wohnraum bieten können. Die Menschen stehen häufig bereit – aber der Schlüssel zur Zukunft fehlt oft: Ein Mietvertrag!“, so der Bezirksleiter abschließend.

Die IG Metall mahnt: Mobilität darf kein Privileg sein. Wenn Pendeln, Umziehen oder Wohnen zum Ausschlusskriterium wird, gehen nicht nur Fachkräfte verloren – auch die Chancengleichheit weicht. Das können weder Wirtschaft noch Politik sich leisten.