Ausbildungsstart 2025 IG Metall mit Appell für eine starke, junge Generation

Mit Beginn des Ausbildungsjahres 2025 treten tausende junge Menschen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt in eine neue Phase ihres Lebens.

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31. Juli 2025 31. Juli 2025


Sie beginnen eine Ausbildung, die für ihre persönliche Zukunft ebenso richtungsweisend ist wie für die industrielle Entwicklung der Region. Doch so erfreulich die persönlichen Perspektiven der jungen Auszubildenden sind, so besorgniserregend bleibt die strukturelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt.

„Wir müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass unser Ausbildungssystem ernsthafte Risse zeigt. Es darf nicht sein, dass wir auf der einen Seite über Fachkräftemangel klagen, während auf der anderen Seite viele Jugendliche keine Ausbildungschance erhalten. Das ist eine Fehlsteuerung, die wir uns ökonomisch und gesellschaftlich nicht leisten können“, mahnt Thorsten Gröger, Bezirksleiter der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Die Ausbildungsbilanz 2024 der IG Metall belegt, dass die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge erneut gesunken ist. Besonders betroffen sind junge Menschen mit Hauptschulabschluss, ebenso wie Jugendliche mit Migrationshintergrund, deren Chancen auf eine Ausbildung trotz vielfacher politischer Bekenntnisse weiterhin deutlich eingeschränkt bleiben. Gröger betont: „Jeder junge Mensch, der im Übergangssystem hängen oder gänzlich ohne Perspektive bleibt, ist ein Verlust – nicht nur für ihn selbst, sondern für unsere gesamte Gesellschaft und unsere Wirtschaft. Wir dürfen keine Generation zurücklassen.“

Die demografische Entwicklung in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt verschärft die Situation zusätzlich. Schon heute fehlen Fachkräfte in zahlreichen Branchen der Metall- und Elektroindustrie, in der Fahrzeugtechnik, im Maschinenbau und in der Energiewirtschaft. Diese Lücken könnten sich in den kommenden Jahren dramatisch vergrößern, insbesondere da der Strukturwandel zu neuen Technologien wie Elektromobilität, grüner Wasserstoffproduktion oder digitalisierten Produktionsprozessen erhebliche Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten stellt. Gröger erklärt: „Die Transformation unserer Industrie wird ohne gut ausgebildete Fachkräfte schlicht nicht gelingen. Das ist keine Gewerkschaftsrhetorik, sondern eine harte betriebswirtschaftliche Realität.“

Vor diesem Hintergrund erneuert die IG Metall ihre Forderung nach einer umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie. Diese soll sicherstellen, dass kein Jugendlicher länger als ein Jahr nach Verlassen der Schule ohne Ausbildungsplatz bleibt. Gröger wird deutlich: „Es kann nicht sein, dass wir jungen Menschen sagen: Du musst dich anstrengen, dann findest du schon etwas – während das System ihnen gleichzeitig die Tür vor der Nase zuschlägt.“ Doch eine Garantie allein reicht nicht. Die IG Metall sieht auch die Finanzierung in der Pflicht. Viele kleine und mittlere Betriebe seien angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen der Transformation überfordert, neue Ausbildungsplätze aus eigener Kraft zu schaffen. Deshalb spricht sich die IG Metall für einen umlagefinanzierten Zukunftsfonds aus, in den alle Unternehmen einzahlen – unabhängig davon, ob sie aktuell selbst ausbilden. Gröger betont: „Es kann nicht länger sein, dass einige wenige Betriebe ausbilden und damit auch die Kosten für die Fachkräfte von morgen tragen, während andere Betriebe von dieser Ausbildung profitieren, ohne sich zu beteiligen. Ausbildung muss zur gesamtwirtschaftlichen Aufgabe werden.“

Ein weiteres zentrales Anliegen der IG Metall ist die Höhe der Ausbildungsvergütung. Noch immer gibt es Branchen, in denen Auszubildende mit Vergütungen auskommen müssen, die nicht einmal existenzsichernd sind. Das betrifft insbesondere Berufe außerhalb tariflicher Bindung sowie zahlreiche schulische Ausbildungswege. Gröger erklärt unmissverständlich: „Wer sich für eine Ausbildung entscheidet, darf nicht in die Armutsfalle geraten. Eine gesetzliche Mindestausbildungsvergütung in Höhe von mindestens 80 Prozent der tariflichen Durchschnittsvergütung ist überfällig. Alles andere ist eine Einladung zur sozialen Spaltung.“

Auch die Qualität der Ausbildung steht für die IG Metall im Fokus. Der Ausbildungsreport 2024 zeigt, dass viele Auszubildende über mangelnde fachliche Anleitung, Überstunden und unklare Lerninhalte klagen. Gerade in einer Zeit, in der die Industrie von digitalen Technologien, künstlicher Intelligenz und nachhaltigen Produktionsmethoden geprägt wird, müssen Ausbildungsinhalte angepasst und Ausbilderinnen und Ausbilder besser qualifiziert werden. Gröger mahnt: „Es reicht nicht, einfach Ausbildungsjahre zu zählen. Ausbildung muss zukunftsfest sein. Das bedeutet moderne Inhalte, digitale Kompetenzen und die Gewissheit, dass die jungen Menschen nach ihrer Ausbildung eine echte Perspektive im Beruf haben.“

Die IG Metall sieht im Ausbildungswesen keinen bloßen sozialen Auftrag, sondern ein strategisches Element der Industriepolitik. Der Bezirksleiter führt aus: „Wenn wir unsere industrielle Substanz erhalten und ausbauen wollen, brauchen wir junge Menschen, die nicht nur Maschinen bedienen, sondern Prozesse steuern, neue Technologien entwickeln und nachhaltige Lösungen vorantreiben. Diese Generation entsteht nicht von allein – sie muss ausgebildet werden.“

Zum Start des Ausbildungsjahres 2025 richtet Thorsten Gröger eine klare Botschaft an Politik und Wirtschaft: „Wir brauchen Unternehmen, die sich ihrer Verantwortung stellen und Ausbildung nicht nur als Kostenfaktor, sondern als Zukunftsinvestition begreifen. Und wir brauchen gesellschaftlichen Konsens darüber, dass kein junger Mensch verloren gehen darf – weder aus sozialer noch aus wirtschaftlicher Vernunft.“ Er schließt mit den Worten: „Ausbildung ist kein Luxus. Sie ist das Fundament für eine Gesellschaft, die Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und technologische Wettbewerbsfähigkeit miteinander verbinden will. Wer hier spart, wird morgen einen hohen Preis zahlen – ökonomisch wie gesellschaftlich.“